2002 starteten Bund und Länder das Programm Stadtumbau Ost als neuen Baustein der Städteförderung, um die ostdeutschen Kommunen bei der Lösung neuer Herausforderungen (hohe Leerstände des Wohnungsbestandes, Unterauslastung von technischen, sozialen und kulturellen Infrastruktureinrichtungen und damit verbundene stadtstrukturelle Probleme) zu unterstützen.

10 Jahre Stadtumbau Ost – eine Bilanz von 2012

Im März 2012 erschien der fünfte Statusbericht der Bundestransferstelle zum 10-jährigen Bestehen des Programms „Stadtumbau Ost“. Er gibt einerseits einen Rückblick auf die ersten zehn Jahre des Bund-Länder-Programms und legt andererseits Augenmerk auf zukünftige Herausforderungen. Die Besonderheiten des Programms werden aufgezeigt und durch Fallbeispiele anschaulich ergänzt. Die Erfahrungen der Programmstädte aus der mehrjährigen Umbaupraxis werden besonders hervorgehoben. Die Publikation fokussiert die drei räumlichen Kulissen des Stadtumbaus Ost, d.h. die Wohnsiedlung, die historische Altstadt und das Gründerzeitquartier. Anhand von ausgewählten kommunalen Beispielen wird das Spektrum der strategischen Ausrichtung, der konzeptionellen und planerischen Vorbereitung, der finanziellen und instrumentellen Unterstützung sowie der projektbezogenen Umsetzung der Umbaumaßnahmen aufgezeigt.

Rück-und Ausblick:

Der Stadtumbau ist zu einer umfassenden Aufgabe für nahezu alle ostdeutschen Städte und Gemeinden geworden. Auch künftig ist von einem anhaltenden Bevölkerungsrückgang und sinkenden Haushaltszahlen auszugehen, was bis 2025 zu einem deutlichen Rückgang der Wohnraumnachfrage führt.

Stadtumbau als Antwort auf Schrumpfungsprozesse

Der jahrzehntelange Wohnungsmangel in Ostdeutschland wandelte sich innerhalb eines kurzen Zeitraumes in einen Wohnungsüberschuss. Zur Jahrtausendwende standen mehr als eine Mio. Wohnungen leer. Die Kommunen standen vor Problemen, die sich nicht mehr allein bewältigen konnten. Die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern“ empfahl daher im November 2000, innerhalb von 10 Jahren 300 Tsd. – 400 Tsd. Wohnungen vom Markt zu nehmen. Bund und Länder griffen mit dem Programm „Stadtumbau Ost“ die Empfehlungen der Expertenkommission auf.

Stadtumbau als langfristiger Prozess

Mit der Novellierung des Baugesetzbuches im Jahr 2004 wurde der Stadtumbau als Schlüsselaufgabe der Stadtentwicklung gesetzlich verankert. „Stadtumbau Ost“ ist aktuell in den meisten deutschen Kommunen das wichtigste stadtentwicklungspolitische Förderprogramm für den Umgang mit den Folgen der Schrumpfungsprozesse. Seit 2002 wurden insgesamt 2,7 Mrd. € von Bund, Ländern und Gemeinden für die Umsetzung des Programms bereit gestellt. Dazu kamen weitere Mittel aus Landesprogrammen sowie Investitionen der Wohnungseigentümer.

Die finanziellen Mittel wurden einerseits verwendet für den Abriss von rund 300.000 Wohnungen und zum anderen für Aufwertungsmaßnahmen in städtebaulich bedeutsamen Teilräumen, z.B. die Sicherung von historisch wertvollen Altbauten sowie der Rückbau und die Anpassung von städtischen Infrastrukturen.

Durch die Maßnahmen konnte ein weiterer Anstieg des Wohnungsleerstandes vermieden werden. Die im Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) zusammengeschlossenen kommunalen Wohnungsgesellschaften konnten eine Reduzierung ihrer Wohnungsbestände im Zeitraum von 2002 bis Ende 2010 von 16,2 % auf 8,3 % verzeichnen.

Auf Basis der Empfehlungen der Evaluierung von 2007/2008 beschloss der Deutsche Bundestag im Juni 2009 die Fortsetzung des Programms „Stadtumbau Ost“ bis 2016 als eigenständiges Programm im Bereich der Städtebauförderung. Städtebauliche und wohnungswirtschaftliche Problemlagen wurden weiterhin als Schwerpunkte festgelegt und diesem Zusammenhang der Abriss weiterer 200 Tsd. bis 250 Tsd. Wohnungen bis 2016 festgelegt. Zudem empfahl die Evaluierung, ein stärkeres Augenmerk auf die Aufwertungsmaßnahmen in Innenstädten und innenstadtnahen Altbauquartiere zu legen. Der Bund und die Länder erweiterten daher die Förderbedingungen für die Sicherung und Sanierung von Altbauten. Außerdem wurden Instrumente und Anreize gestärkt, die darauf hinwirken, dass sich private Eigentümer in kleinteiligen Strukturen intensiver am Stadtumbau beteiligen.

Der Abnahme der Haushaltszahlen, der anhaltende Bevölkerungsrückgang und der Mangel an Zuwanderung führen zu einem Nachfragerückgang auf dem ostdeutschen Wohnungsmarkt. Während die Nachfrage nach Mietwohnungen zurückgeht, steigt besonders im ländlichen Raum der Wohnflächenkonsum und die Wohneigentumsquote leicht an.

Ein Programm mit Breitenwirkung

Seit 2002 beteiligten sich insgesamt 425 Städte und Gemeinden in Ostdeutschland am Programm „Stadtumbau Ost“. Insgesamt sind mehr als die Hälfte aller Einwohner in den neuen Bundesländern direkt oder indirekt von den Stadtumbauprozessen betroffen.

Die Länder setzen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Auswahl der Programmkommunen, vor allem bei der Beteiligung von Kleinstädten und Landgemeinden. Brandenburg konzentriert die Förderung auf die am stärksten vom Leerstand betroffenen Kommunen, während Thüringen und Sachsen einen eher flächenhaften Ansatz verfolgen.

Stadtumbau Ost: ein lebendiges Programm im Wandel

Ab dem Beginn des Programms wurden die Fördermittel vor allem von den Ländern mit höchsten Wohnungsleerständen auf den Abriss von Wohnungen konzentriert. Stadtumbauaktivitäten fanden in den ersten Programmjahren schwerpunktmäßig in den großen Wohnsiedlungen statt.

Spätestens ab 2007 wurde in allen Ländern die Umsetzung von Aufwertungsmaßnahmen stärker fokussiert. Der Schwerpunkt wurde dabei auf innerstädtische Altbauquartiere gelegt.

Ab 2005 wurde die Möglichkeit geschaffen, bis zu 3 % der Stadtumbaumittel für die Sicherung von Altbauten einzusetzen, weil gerade dort hohe Leerstände verzeichnet wurden. Diese Quote wurde bis 2009 auf 15 % erhöht bis schließlich mit der Verwaltungsvereinbarung 2010 30 % der verfügbaren Stadtumbaumittel für die Sicherung von Altbauten verwendet werden konnten. Diese Möglichkeit wird von Ländern und Kommunen seitdem intensiv genutzt.

Für die Förderung der Rückführung und Anpassung städtischer Infrastrukturen wurde ab dem Jahr 2006 ein eigenständiger Programmbereich definiert.

Neue strategische Partnerschaften und innovative Instrumente zum Stadtumbau

In den letzten Jahren wurde versucht, private Eigentümer stärker in den Stadtumbauprozess mit einzubinden. Aber auch die Zusammenarbeit mit den Trägern der sozialen und technischen Infrastruktur spielt eine besondere Rolle.

Seit Beginn des Programms sind die kommunalen Wohnungsunternehmen und die großen Wohnungsgenossenschaften enorm wichtige strategische Partner für den Stadtumbau. Sie wurden frühzeitig in die Erstellung integrierter Stadtentwicklungskonzepte eingebunden. Zunehmend engagieren sich die Wohnungsunternehmen bei der Entwicklung innerstädtischer Bereiche.

Mit der stärkeren Konzentration auf die Innenstädte stieg die Bedeutung kleinerer privater Eigentümer für die Umsetzung des Programms, in deren Händen sich immerhin 80 % der innerstädtischen Altbaubestände befinden. Deshalb ist eine Kooperation mit und stärkere Einbindung dieser Eigentümergruppe von enormer Bedeutung für die Stärkung der Innenstädte (z.B. durch Eigentümerstandortgemeinschaften)

Initiativen wie die Wächterhäuser, Bürgergärten oder Selbstnutzerinitiativen gehen auf das Engagement von Bürgern und die Bereitschaft der Verwaltung, diese zu unterstützen, zurück.

Bisher gibt es nur Einzelfälle von Stadtumbaupartnerschaften auf der interkommunalen Ebene. Doch gerade in einigen ländlichen Regionen werden interkommunale Kooperationen und die regionale Zusammenarbeit von Nöten sein, um soziale Infrastrukturen zu sichern. So werden viele Infrastrukturangebote wie Stadthallen oder Schwimmbäder nur durch interkommunale Verbünde aufrecht zu erhalten sein

Ergänzung durch andere Städtebauprogramme

Städte und Gemeinden ergänzen das Programm Stadtumbau Ost teilweise mit anderen Städtebauförderprogrammen wie z.B. den Programmen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen und Städtebaulicher Denkmalschutz. Hinzu kommen weitere Instrumente und Impulse, z.B. durch das KfW-Programm „Energieeffizient Sanieren“ oder die Wohnraumförderung der Länder.

Die Städtebauförderung bietet für Bund und Länder nicht nur ein Steuerungs- und Leitprogramm, sondern trägt auch erheblich zur Konjunkturbelebung bei. Aktuelle Studien haben belegen, dass die Städtebaufördermittel von Bund und Ländern das 7,1-fache an privaten und öffentlichen Investitionen angestoßen haben.

Ergänzende Instrumente zur Stärkung des Stadtumbaus

Bis zum 31.12.2003 konnten Unternehmen mit besonders hohen Leerständen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten Anträge auf Altschuldenhilfeentlastung stellen und somit pro m² abgerissener Wohnfläche eine Entlastung von Altschulden erhalten. Die Abrissfrist galt bis zum 31.12.2013

Speziell für die Aufwertung von Altbauten in Innenstädten würde im Zeitraum von 2002 bis 2004 eine Investitionszulage für Modernisierungsmaßnahmen nach § 3 a des Investitionszulagegesetzes von 1999 gewährt.

Für die Jahre 2004 bis 2006 galt eine Befreiung von der Grunderwerbssteuer für die Fusion ostdeutscher Wohnungsunternehmen.

Neue Herausforderungen im Stadtumbau

Künftig wird mit weiteren Bevölkerungsrückgängen in den ostdeutschen Umbaukommunen gerechnet. Diese sind zurückzuführen auf Sterbeüberschüsse sowie kleinräumige Wanderungen in regionale Entwicklungszentren. Gleichzeitig kommt es zu einer räumlichen Ausdifferenzierung. Vor allem in den kleinen Städten und Gemeinden ist von weiteren Schrumpfungsprozessen auszugehen. Außerdem werden neue bzw. veränderte Aufgabenstellungen einer klimagerechten Stadt– und Quartiersentwicklung künftig stärker in den Stadtumbau zu integrieren sein (definiert durch die Novelle des 2011 in Kraft getretenen Baugesetzbuchs).